Gefährliche Orte

Über die stadtpolitische Lokalisierung der Corona-Krise in Göttingen und Berlin

Louisa Bäckermann, Peter Birke

In diesem Beitrag diskutieren Louisa Bäckermann und Peter Birke den lokalen staatlichen Umgang mit COVID-19-Masseninfektionen in sogenannten sozialen Brennpunkten: Ausgewertet wird die Medienberichterstattung über zwei Fälle in Göttingen und einen Fall in Berlin (Neukölln). Der Beitrag wird durch eine kritische Perspektive kontextualisiert, die erstens nach der Bedeutung von Gentrifizierungsprozessen und „kleinräumiger Polarisierung“ in Bezug auf die untersuchten Fälle fragt, und zweitens diskutiert, inwiefern sich dies mit einem strukturellen Rassismus verbindet. Der Text wirft dabei (zum Weiterdiskutieren) grundlegende Fragen zur Stadtpolitik unter dem Eindruck der Pandemie auf, die noch wenig bearbeitet wurden. Die Autor*innen fragen am Ende auch nach der Bedeutung linker, kritischer stadtpolitischer Initiativen, wie sie vor allem in der Solidaritätskampagne für die „Groner 9“ in Göttingen zum Ausdruck gekommen sind.

Die Pandemie-Bekämpfung war nach dem Ende des ersten Lockdowns im späten Frühjahr zu einer Strategie der kleinräumigen Kontrolle von Infektionen übergegangen. Dabei wurden gesamtstaatliche Maßnahmen durch lokale-spezifische Interventionen ergänzt, um eine möglichst weitgehende Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens wie der Ökonomie zu ermöglichen. Die Regierungen der Landkreise und Städte erhielten so eine besondere Verantwortung, bei ihnen lief die Moderation des Ampelsystems und der Kontaktnachverfolgung zusammen. Zugleich wurden immer wieder bestimmte Orte als Ausbruchszentren identifiziert und erhielten mediale Aufmerksamkeit. In einer losen und unvollständigen Aufzählung gerieten Schulen, Gaststätten, Unterkünfte für Geflüchtete, Hochhäuser oder Altenheime ins Visier. Aktuell stößt diese kleinräumige Pandemiebekämpfung in der zweiten Welle der Corona-Krise angesichts überforderter Gesundheitsämter und nicht identifizierbarer Infektions-Herde an ihre Grenzen. Da sie jedoch nach wie vor als das angestrebte Ideal für die mit einiger Sicherheit bald kommende Phase der „Öffnung“ gilt, gibt es weiterhin Anlass, eine Diskussion der Ausdrucksformen und Folgen jener „kleinräumigen“ Eindämmungsstrategie vorzunehmen.

Aus unserer Sicht hat diese Strategie soziale Konflikte akzentuiert, die stadtpolitisch bereits zuvor eine wichtige Rolle gespielt haben: Es geht dabei, wie die obige Aufzählung bereits erkennen lässt, einerseits um die Aufrechterhaltung und Gewährleistung öffentlicher Güter (Schulen, Altenheime), andererseits aber auch um Fragen der sozial-räumlichen Segregation, um rassistische Zuschreibungen, „gefährliche Orte“ und um „gefährliche Klassen“.[1] Wir widmen uns hier dem zweiten Aspekt, nämlich den Diskursen zu „gefährlichen Orten“. Dies geschieht im Folgenden  am Beispiel der Auseinandersetzung um als „infiziert“ identifizierten Hochhäusern in Göttingen sowie einem Häuserblock in Berlin-Neukölln.[2] In beiden Fällen handelt es sich um Orte, die oft als soziale Brennpunkte bezeichnet wurden und in denen staatliche und private Akteur*innen sich schon lange vor dem Einsetzen der Pandemie um stadtplanerische / stadtpolitische Interventionen bemüht bzw. (mehr oder weniger erfolgreich) eine Neuzusammensetzung der Bewohner*innen gefördert haben. Wir verfolgen in diesem Text zuvörderst die medialen Debatten um diese beiden Infektionsgeschehen im Frühsommer dieses Jahres. Auf dieser Grundlage werden wir die öffentliche Wahrnehmung dieser „Fälle“ zur Zeit ihrer damaligen Bearbeitung rekonstruieren und in Zusammenhang mit den jeweiligen stadtpolitischen Diskursen der beiden Orte zu setzen. Andererseits möchten wir erste Konsequenzen für die Zeit „nach der Pandemie“ (sollte es eine solche Zeit geben) diskutieren.

Kleinräumige Polarisierung, Gentrifizierung und Rassismus

Der Begriff „soziale Brennpunkte“ prägt die Stadtentwicklung in Deutschland spätestens seit Ende der 1970er Jahre.[3] Er verweist auf Versuche politisch-administrativer Akteur*innen und Stadtforscher*innen, die Folgen verschärfender und sich räumlich materialisierender sozialer Ungleichheiten zu verstehen und zu bearbeiten. Von „Armutsquartieren“ ist die Rede, drastischer auch vom „Ghetto“,[4] Assoziationen wie Plattenbau, Kriminalität und Desintegration beleben die Imagination von nicht lebenswerten, verwahrlosten und benachteiligenden Orten. „Benachteiligend“ deshalb, weil seit spätestens den 1990er Jahren mit der Kontexttheorie in sozialwissenschaftlichen Diskursen die Annahme vorherrscht, sowohl die physischen Bedingungen als auch eine „problematische Sozialstruktur“ würden in eine Abwärtsspirale der Bewohner*innen münden. [5] Dabei wird Diversität mithilfe von soziostrukturellen Kennzahlen über unterschiedliche Klassenzugehörigkeiten und ethnischer Herkunft reguliert. Folglich sehen Maßnahmen gegen Armut so aus: „Soziale Mischung“ soll die Zusammensetzung der Bevölkerung verändern. Es wird auf raumbezogene Stadtentwicklung gesetzt, anstatt die Probleme strukturell durch Sozialpolitik, Arbeitspolitik oder durch eine soziale Wohnungspolitik zu bekämpfen.

Die Botschaft ist klar: Es ist nicht die Armut selbst, die das Problem ausmacht, sondern das gehäufte Auftreten von Armut und die befürchteten Folgen.[6] Denn aus Armut folge Exklusion, aus Exklusion abweichendes Verhalten, das Abrutschen ins Kriminelle werde unausweichlich. Nicht selten wird diese Erzählung mit der Feststellung verknüpft, in diesem oder jenem Viertel sei der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund besonders hoch. Klaus Ronneberger und Vassilis Tsianos deuten diese dominante Auffassung über „ethnische Segregation“ wie folgt: „Das ‚Ghetto‘ symbolisiert sozusagen die sozialräumliche Dimension einer unkontrollierten ‚Parallelgesellschaft‘“.[7] Auf den Punkt gebracht heißt das: Was stadtpolitische Diskurse an „ethnischer Segregation“ problematisieren, sind weniger deren Ursachen wie soziale Ungleichheit, Rassismus und strukturelle Benachteiligung. Es sind vielmehr die angenommenen Folgen für die Sicherheit und Stabilität einer imaginierten weißen und bürgerlichen Allgemeinbevölkerung; die auch räumlich als „nicht zugehörig“ markierten Bewohner*innen selbst werden zum Problem.

Eine Folge dieser Politik wird – im Gegensatz zu der Rede von der „sozialen Mischung“ – als „kleinräumige Polarisierung“ beschrieben.[8] Damit ist einerseits gemeint, dass die Privatisierung öffentlicher Güter, die private Aneignung von öffentlichem Raum, die Inwertsetzung von Flächen und Wohnraum usw. in innerstädtischen Quartieren Konstellationen produzieren, in denen Reichtum und Armut sich direkt gegenüberstehen. Dies wird für Großstädte wie Berlin beschrieben, aber auch für die Städte wie Göttingen, in denen eine „sekundäre“, durch Investitionen jenseits der Hotspots der Gentrifizierung ausgelöste Inwertsetzung stattfindet.[9] Wenn man sich „kleinräumige Polarisierung“ bildlich vorstellen will, dann kann man sich dies anhand eines Dokumentarfilms von Irene Bude und Olaf Sobczack aus dem Jahre 2009 tun. Gegenstand des Films ist die Entstehung des sogenannten Brauquartiers auf dem Gelände der früheren Bavaria-Brauerei in Hamburg-St. Pauli. Immer wieder wird in diesem Film zur Konstellation an der Grenze zu den Neubauten zurückgekehrt, wo auf der einen Seite der Straße teure Restaurants („Copper-House“, „Empire Riverside Hotel“) mit großen Fassaden ausgestattet sind, durch die man auf eine Spielhalle oder eine Drogenhilfeeinrichtung blicken kann, oder, mit den Worten des Künstler Christoph Schäfer: „[Man guckt] auf diese kleinteilige, rotte, teilweise kriegswiederaufgebaute Davidstraßensituation. Da wird ganz klar konstruiert: Wir sind drin.“[10]

Aber wer genau ist „draußen“ und wie werden diese Leute wahrgenommen? Es geht, folgen wir Christoph Schäfer, um ein Othering:[11] Der Blick auf die andere Straßenseite reproduziert das Bild von den Armen, stellt es aber gleichzeitig auch neu her. In diesem Akt des Herstellens ist Migration ein sehr wichtiges Thema. Sie wird in der stadtpolitische Diskussion in der BRD, verstärkt seit den 2000er Jahren, sowohl als wichtige Ressource der Inwertsetzung als auch als zu beseitigendes „Problem“ gefasst.[12] Beide Haltungen – Inwertsetzung und Problematisierung – sind durchaus verwandt, im Kern vor allem deshalb, weil sie implizieren, dass jene Teile der Bevölkerung, die nicht für eine Inwertsetzung des städtischen Raums funktionalisiert werden können, von der Visitenkarte der Städte zu verschwinden haben: Unsichtbar bleiben etwa die Diskriminierung bei der Wohnungsvergabe, die überproportionale Konfrontation mit prekären Arbeits- und Lebenssituationen, aber auch die konkreten Lebensbedingungen in den „kleinteiligen, rotten, kriegswiederaufgebauten“ Häusern: Überfüllte Wohnungen, Feuchtigkeit und Schimmel, kaputte Gemeinschaftseinrichtungen usw.

Othering bedeutet dann letztlich, dass Verhaltensmuster und Handlungsoptionen der Bewohner*innen, obwohl sie nur wie durch eine Glasscheibe gesehen werden, diskursive Geltung erlangen. In der Pandemiesituation gehören dazu Unterstellungen, dass die „Anderen“ nicht fähig sind, Schutzmaßnahmen einzuhalten – der Argumentation folgend, dass die Bewohner*innen sie schlicht nicht verstünden, oder auch drastischer, dass sie es nicht wollten. Auf der anderen Seite werden die Masseninfektionen in einzelnen Quartieren oder Betrieben jedoch auch zu einem Gegenstand von mehr oder weniger organisierter Kritik an sozialen Verhältnissen. Genau um diesen Konflikt geht es im Folgenden, zunächst am Beispiel des „Iduna-Zentrums“ und der „Groner Landstraße“ in Göttingen, sodann am Beispiel der Harzer Str. in Berlin-Neukölln.

Göttingen: „Vom Prestigeobjekt zum Brennpunkt“

Am 3. Juni 2020 veröffentlichte die taz unter diesem Titel einen Text von Reimar Paul, der den ersten bundesweit bekannten Fall einer Masseninfektion in einem Hochhaus in Göttingen gut zusammenfasste.[13] Das sogenannte Iduna-Zentrum, benannt nach der gleichnamigen Versicherung, die das 1975 errichtete Gebäude einmal finanzierte, ist eines der wenigen Hochhäuser im Göttinger Zentrum. Geplant wurde das Gebäude im Rahmen einer Verlängerung der Innenstadt über die Weender Straße, die jenseits der Wallanlagen bis zum Gelände des in den 1960er Jahren geplanten und Stück für Stück errichteten Geisteswissenschaftlichen Campus reicht. Innenstadt, Campus und Iduna-Zentrum wurden mit Fußgängerbrücken verbunden. Das Hochhaus war eine „Top-Adresse“. Die Bewohner*innen bestanden zunächst aus Studierenden, deren zahlungskräftige Eltern einen Katzensprung von Bahnhof, Innenstadt und Campus entfernt ein Appartement für die aufstrebenden Sprösslinge erworben hatten. Oder aus verhältnismäßig betuchten Alleinstehenden, viele davon Mitarbeiter*innen der Uni: „[Die] Bewohner schwärmten von der tollen Aussicht, im Erdgeschoss gab es sogar ein Schwimmbad.“[14] Die Stadt ließ das Gebäude auf Touristenpostkarten drucken.

Das Konzept hielt sich allerdings nicht allzu lange: In den 1990ern verwandelte sich das Iduna-Zentrum in einen Komplex mit ausgesprochen unübersichtlichen Eigentumsverhältnissen: Die Wohnungen waren einzeln veräußert worden, immer weniger Eigentümer*innen nutzten die Wohnungen selbst. Es kam zu massivem Leerstand. Die Fußgängerbrücken wurden bis 2003 vollständig abgerissen, und damit die Verbindung zur Innenstadt auch symbolisch gekappt. Das Schwimmbad wurde ebenfalls geschlossen. Heute wird ein Drittel der Wohnungen über eine gemeinsame Hausverwaltung organisiert, der Rest ist verstreuter Besitz, was dazu beiträgt, dass insbesondere die Gemeinschaftsanlagen und die Fassaden verfallen.[15] Angesichts dessen, dass die Mieten für Göttinger Innenstadtverhältnisse noch immer relativ niedrig sind (2018 sollen es im Schnitt etwa 7,50 Euro kalt gewesen sein) ist gleichwohl der Leerstand der 1990er mittlerweile durch Überbelegung abgelöst worden.

Die soziale Zusammensetzung der Bewohner*innen hat sich entsprechend verändert: Heute leben „im Iduna-Zentrum Menschen[…], die hinsichtlich ihres Einkommens, ihrer Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe und ihres sozialen Status‘ Ausgrenzung erfahren. Insbesondere mit Blick auf die dramatische Situation des Wohnungsmarkts stehen sie vor besonderen Herausforderungen. Das Iduna-Zentrum bietet insbesondere Menschen mit geringem Einkommen, die neu in der Stadt ankommen, die Möglichkeit einer ersten, kleinen und zentralen Wohnung.“[16] In den mehrheitlich Ein-Zimmer-Wohnungen mit 30 bis 34 m² Wohnfläche soll der Anteil von SGB-2-Empfänger*innen überdurchschnittlich sein, sehr viele Bewohner*innen haben keinen deutschen Pass, einige sind Romnija. Aber es gibt auch ältere Leute, die schon lange dort wohnen und sogar noch einen Rest von Studierenden. Mit der sozialen Zusammensetzung hat sich auch das Image des Gebäudes geradezu ins Gegenteil: Selbst ein Göttinger „Tatort“ inszenierte es – kurz vor der Pandemie – als im Verfall begriffenes Beton-Ghetto.[17]

Zugleich liegt das Hochhaus räumlich gesehen am Hotspot der aktuellen Gentrifizierungskonflikte in Göttingen. Kleinräumige Polarisierung: Während heute, wenige hundert Meter entfernt, auf dem Gelände des bereits 1968 abgerissenen Universitätsreitstalls und der ehemaligen städtischen Schwimmhalle exklusive Eigentumswohnungen stehen, verfällt gegenüber auf der Weender Straße ein ehemaliges Einkaufszentrum. Die letzten Meter der Straße in der Innenstadt werden von Göttinger Geschäftsleuten und ihren Vereinigungen immer wieder despektierlich-rassistisch als „Dönermeile“ mit erheblichem Sanierungsbedarf denunziert. Und auch der nahegelegene Waageplatz gilt in der lokalen Presse seit Jahren als „Problemzone.“ 2016 fragte das Göttinger Tageblatt rhetorisch, ob dieser Platz, auf den die Besitzer der erwähnten schicken Stadtwohnungen Tag für Tag blicken, ein „zugemüllter Treffpunkt für Trinker, Drogenhändler und -konsumenten“ sei.[18] Wieder einige Meter weiter steht das ehemalige Gefängnis für einen weiteren Fall von Leerstand, der vor dem Hintergrund explodierender Mieten absurd erscheint. Und gleich gegenüber wurde das ebenfalls lange Jahre leerstehende ehemalige DGB-Haus vor fünf Jahren von antirassistischen Gruppen besetzt und dient seitdem als soziales Zentrum.[19]

Der bundesweit beachtete Skandal um die Masseninfektionen begann Ende Mai, als das Göttinger Tageblatt berichtete, dass „Polizisten in Schutzkleidung einen Mann aus dem Iduna-Zentrum holten.“[20] Zur Begründung hieß es, dass sich der Betreffende nicht an die Quarantänebestimmungen gehalten habe und nun zu weiteren Abklärung in das örtliche Universitätskrankenhaus gebracht worden sei. In den Tagen darauf eskalierte die Situation. Bürgermeister und Sozialdezernentin der Stadt verbreiteten die Nachricht, dass sich 80 Menschen in Göttingen am 23. Mai bei einem muslimischen Zuckerfest angesteckt hätten.[21] Schwerpunkt sei das Iduna-Zentrum, mit seinen „sechshundert gemeldeten und etwa 100 nicht registrierten“ Bewohner*innen. Insgesamt identifizierte man 370 „Kontaktpersonen“ der Infizierten. In Stadt und Landkreis mussten einige der bereits wieder geöffneten Schulen geschlossen werden. Der zuständige Landrat teilte in diesem Zusammenhang mit, dass „manche Menschen nicht verstehen, dass Lockerungen nicht gleichbedeutend [sind] mit der Duldung von Leichtsinn.“[22] Am 6. Juni verkündete die lokale Presse, dass das Iduna-Zentrum nunmehr, unter den permanent laufenden Kameras bundesweiter Medien, „an drei Tagen durchgetestet“ würde.[23]

Im Gegensatz zur Interpretation der Ereignisse durch die rot-grüne Stadtregierung teilten die Bewohner*innen des Hauses schließlich in einer Presseerklärung mit, dass jene „mehrere private Feiern, an denen sich Familien nicht an das Distanzgebot hielten“ eine freie Erfindung seien, ebenso wie das unter anderem durch den Bürgermeister verbreitete Gerücht, man habe sich in einer „Shisha-Bar angesteckt“. Auch sei der „Patient 0“, der aus Ausgangspunkt der Infektionskette geoutet wurde, nicht wie kolportiert „Mitglied einer Großfamilie“, sondern vielmehr schlicht einer von sechs- oder siebenhundert Bewohner*innen des Hochhauses. Und schließlich sei es ein Widerspruch, dass die Stadt behauptete, es hätten sich mehrere Personen den Tests verweigert, während gleichzeitig jedoch nicht genügend Testkapazitäten bereitgestellt worden seien.[24]

Es geht hier nicht darum, das eine oder das andere zu verifizieren. Es sei jedoch festgehalten, dass das stadtpolitische Thema, namentlich die Wohn- und Lebensverhältnisse in jenem Gebäudekomplex und ihre strukturellen Ursachen im lokalen Wohnungsmarkt und in der Freiheit von Vermieter*innen, menschenunwürdige Wohnverhältnisse anzubieten, in der gesamten Debatte von Anfang Juni zunächst nur eine Randnotiz blieb. Dies gilt sowohl für die Göttinger Politik als auch für die bundesweite Presse, in der die Texte von Reimar Paul eine der wenigen lobenswerten Ausnahmen blieben. Die Proteste der Bewohner*innen wurden bspw. von der Bild-Zeitung in gewohnt zynisch-rassistischer Weise als „Aufruhr im Corona-Block“ bezeichnet.[25]

Die Besonderheit der Situation war, dass es sich bei allen drei Hauptakteuren des lokalen Krisenstabs um gutwillige Sozialdemokrat*innen handelt, die samt und sonders auch mal auf Anti-NPD-Demos sich blicken lassen und eine kleine Rede halten. Umso mehr markiert deren Reaktion wohl den Abstand zu den Lebensverhältnissen in den Ecken der Stadt, die man sonst nur durch jene Glasfassade zu betrachten scheint, von der Christoph Schäfer im Hamburger Zusammenhang sprach: Es bestehe, so versicherte ein Amtsträger beim nächsten Corona-Massenfall, „keine Gefahr für die Bevölkerung“, was viel dazu aussagt, wer dort allgemein Teil als Teil der Göttinger Bevölkerung wahrgenommen wird und wer nicht.[26] Insgesamt ist die Argumentation, die sich in den Göttinger Junitagen mehr oder weniger spontan entwickelte, und die später unter dem Eindruck öffentlicher Kritik korrigiert wurde.[27]

Nur wenige Tage später, am 17. Juni, kam es dann in einem weiteren Göttinger Hochhauskomplex zu einer Masseninfektion. Das Gebäude liegt nur einen Katzensprung vom Iduna-Zentrum entfernt, wenige hundert Meter auf der anderen Seite des ICE-Bahnhofs, ebenfalls an einer großen Ausfallstraße aus der Innenstadt. Gegenüber entstand vor kurzem die neue Zentrale der lokalen Sparkasse (eine der größten Immobilienbesitzerinnen der Stadt), daneben das Hotel „FREIgeist“, mit einer „exquisiten Küche“ und (nicht ganz billigen) Zimmern. Das Hotel hat nicht nur eine andere Adresse (Berliner Straße), sondern auch ein Hygiene-Konzept, mit dem man bereitwillig prahlt: „Unser Hotel verfügt über insgesamt 3 hocheffiziente Lüftungsanlagen, die jeweils eine doppelte Filterstufe in der Zuluft verbaut haben (F7 und F9). Die Abluft wird zu keinem Zeitpunkt mit der frischen Zuluft vermischt. Somit wird ein 100-prozentiger gefilterter Außenluftbetrieb hergestellt. Die benutzte Raumluft wird, abhängig der konkreten Räumlichkeit, bis zu 7-mal – folglich alle 9 Min. – komplett gegen Frischluft ausgewechselt.“[28]

Von einem vergleichbar effizient organisierten Frischluftaustausch kann in der Groner Landstraße 9, 9a, 9b keine Rede sein. Dort finden sich 432 Ein- bis Zwei-Zimmer-Wohnungen, in denen, ganz wie im Iduna-Zentrum, etwa 700 Menschen wohnen.[29] Wie im Iduna-Zentrum gab es in der „Groner“ angesichts der steil steigenden Mieten in Göttingen einen Übergang vom Leerstand (1990er) zur Überbelegung (heute). Das Eigentümermodell unterscheidet sich ein wenig. So erwarb 2015 eine Immobilienfirma offenbar etwas mehr als die Hälfte der Wohnungen für sehr wenig Geld (die Rede ist von 20.000 Euro pro Wohnung). Mittlerweile wurden diese Wohnungen zweimal verkauft und befinden sich offenbar in der Hand eines Münchner Investors. Von Frieling zitiert den Mieterverein Göttingen: „Das Geschäftsmodell […] beruht darauf, günstigen Wohnraum zu kaufen und an Bezieher von Sozialleistungen zu vermieten. […] Die Quadratmeter-Preise seien mit die höchsten in Göttingen. [Der damalige Besitzer] orientiere sich an dem, was an Mieten im Rahmen der Kosten für einer Unterkunft übernommen wird.“[30] Während sich insofern das „Geschäftsmodell“ ein wenig von dem des Iduna-Zentrums unterscheidet, ist die Rhetorik in Bezug auf die Groner Landstraße seit Jahren ähnlich: „Düster“, „schmuddelig“, ein Hindernis für den Hotelbau gar, empörte sich die lokale CDU 2014.[31] Es sei, mit anderen Worten, ein Ort, auf den man nicht gerne blickt, das unterscheidet die Situation vielleicht von der in St. Pauli, wo die Armut zur Romantik beitragen kann.

Die Pandemie machte diesen Ort dann wieder sichtbar, freilich in der Kontinuität solcher Bewertungen. Am 17.6.2020 berichtete die Lokalpresse, deutlich sachlicher zunächst als im Vergleich zur Iduna-Haus-Medialisierung, allerdings wiederum auf Seite 1: „102 positive Tests. Hochhaus unter Quarantäne.“[32] Doch während auch die Rhetorik der Politiker*innen zunächst milder ausfiel – nach den Vorerfahrungen sprach der Oberbürgermeister jetzt von bevorstehenden Maßnahmen, die „tief in die Persönlichkeitsrechte eingreifen“,[33] fiel die Praxis allerdings deutlich verschärft aus. Am 18.6 wurden alle Zugänge zu den drei Häusern versperrt und alle Bewohner*innen kollektiv unter Quarantäne gestellt.[34]

Am Samstag, den 20. Juni, waren dann auch die „Reporter zurück in der Stadt“[35] und die Groner Landstraße 9 schaffte es erstmals in ihrer Geschichte in die Hauptnachrichten. Am selben Tag war es gar zu einem Todesfall im Wohnblock gekommen, bei dem die Bewohner*innen einen langsamen Rettungseinsatz kritisierten.[36] Göttinger Medizinstudierende, die an den Massentestes der Bewohner*innen der Groner Landstraße teilgenommen hatten, kritisierten eine mangelhafte Versorgung in der Zeit des Einsperrens, insbesondere mit Blick auf die 200 im Komplex wohnenden Kinder. Ebenso stellten sie das Corona-Testzentrum selbst in Frage, das einer der beteiligten Studierenden aufgrund der mangelnden Möglichkeiten zur Durchlüftung als „Vireninkubator“ bezeichnete.[37]

Am Wochenende nach der Absperrung des Häuserkomplexes führte dann eine gentrifizierungskritische Demonstration dorthin. Im zeitlichen Zusammenhang damit kam es zu Unruhen der Bewohner*innen, die versuchten, die aufgestellten Zäune zu durchbrechen.[38] Die Polizei reagierte mit einem rabiaten Einsatz, zahlreichen Verhaftungen und Pfefferspray in Hauseingängen. Erst im Verlaufe des Wochenendes beruhigte sich die Situation. Dennoch wurde die „Vollquarantäne“ in der Groner Landstraße erst am 26.6 beendet, alternative Unterkünfte für Negativ-Getestete wurden auch bis dahin nicht bereitgestellt.

Immerhin stellte sich die Situation in Göttingen nach den Unruhen anders da. Es kam zu einer Solidarisierung der linken, studentischen Szene. Lebensmittel und andere Sachspenden wurden gesammelt. Weitere Demonstrationen fanden statt, für die Bewohner*innen sichtbar wurde eine Art Mahnwache als Dauerpräsenz eingerichtet. Die Aktionen waren auch deshalb bemerkenswert, weil Kontakt und Kooperation zwischen der studentisch geprägten Linken der Universitätsstadt und den Bewohner*innen der Hochhäuser sowie der ärmeren Stadtteile bis dato eher eine Ausnahme gewesen war. In der Folge kam es auch zu einer etwas breiteren Diskussion über die Wohnungspolitik der Stadt im Allgemeinen, in der Linke sowie Teile der Grünen und der SPD, aber auch die kritische Stadtforschung strukturelle Probleme benannten: Stark steigende Mieten, besonders in Innenstadtnähe, ein „Handlungskonzept“ der Stadt, dass dieses Problem zwar anerkennt, aber angesichts der überwiegend privaten Aneignung und Bewirtschaftung von Wohnraum bislang weitgehend unwirksam bleibt. Im Juli forderte ein lokales Bündnis einmal mehr ein grundlegendes Umsteuern in der Wohnungspolitik.[39]

Berlin: Erst „Rattenhaus“, dann „Integrationsprojekt“ … und jetzt „Corona-Haus“

Im Rahmen eines Corona-Ausbruchs in Berlin-Neukölln im Juni 2020 wurde einem Häuserblock besondere Beachtung geschenkt, der in gewisser Weise die umgekehrte Image-Karriere der Gebäude in Göttingen hinter sich hat.

„Das Virus ist in den Mietskasernen angekommen“: Von dieser Aussage des Bezirksbürgermeisters Martin Hikel (SPD) begleitet, war am 15. Juni infolge eines Corona-Infektionsgeschehens eine Quarantäne für 13 Wohnhäuser verhängt worden.[40]  Dabei war es vor allem ein Haus, auf das sich der mediale Rummel stürzte und das sogar bis über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus besorgte Artikel hervorbrachte: Das Eckhaus an der Harzer Straße, Ecke Treptower Straße. [41] Ursächlich für die Prominenz des Hauses ist wohl dessen Geschichte – und insbesondere die daraus resultierende Annahme, dass es sich insbesondere um rumänische Bewohner*innen handele, die vom Virus infiziert seien und dort in prekären Wohnverhältnissen leben.[42]

Das Haus im nördlichen Teil Neuköllns, einem Stadtteil mit einem im städtischen Vergleich hohen Migrationsanteil und seit Jahren Schauplatz massiver Gentrifizierungsprozesse sowie intensiver stadtpolitischer Bearbeitung,[43] ist vor mehr als zehn Jahren von der Aachener Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft, ein Eigentum verschiedener katholischer Bistümer, gekauft und saniert worden. Zu diesem Zeitpunkt war der Altbau als „sozialer Brennpunkt“ identifiziert, von „Matratzenlagern“ und „massiver Überbelegung“ durch insbesondere rumänische Bewohner*innen, von „Müll“ und „Ratten“ war die Rede.[44] Der Investor habe, so geht die Geschichte weiter, das Haus saniert und zum Integrationsvorzeigeobjekt gemacht: Die Mieter*innen konnten bleiben, was angesichts der im Stadtteil voranschreitenden Aufwertung und Verdrängung, die auch einige Mieter*inneninitiativen hervorgebracht hat,[45] keineswegs selbstverständlich ist. Das liegt vor allem daran, dass die katholische Kirche, wie Pfarrer Benjamin Marx erklärt, ihren Auftrag darin sah, auf der Seite der im Haus lebenden rumänischen Bewohner*innen zu stehen und deren Lebensbedingungen zu verbessern.[46] Die Eckkneipe wurde seitdem durch einen Gemeinschaftsraum und einen Kindergarten ersetzt, mittlerweile leben im Haus ganz unterschiedliche Leute verschiedenster Nationalitäten, mit den Worten eines Bewohners: „Neuköllner eben“.[47]

Die katholische Kirche ist nicht der einzige Akteur, der in Neukölln stadtpolitisch aktiv ist: Derzeit werden Gebiete als „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf“ bearbeitet, auch das gründerzeitliche Kiez um die Harzer Straße wird ab 2021 gefördert. Ausschlaggebend hierfür dürfte wohl auch die Bevölkerungszusammensetzung sein: sie ist jung, insbesondere aber migrantisch geprägt (Anteil 57%) und durch einen relativ hohen Anteil an Transferleistungsbezieher*innen (32,6 %) und arbeitslosen Personen (12,7%) ausgezeichnet.[48] Neukölln, als „Hipster Hochburg“ in aller Munde, ist mittlerweile aber auch eine gefragte Adresse für Besserverdienende und hat massive Mietenanstiege zu verzeichnen. Nicht zuletzt vermutlich deshalb, weil der Stadtteil auch als gelungenes Beispiel der Integration gesehen wird, dem „Vielfalt“, gerne genutzt als Umschreibung für einen „hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund“, vor allem aber auch Aufwertung durchaus gutgetan hätten.[49] Das Eckhaus liegt also inmitten eines typischen Gentrifizierungsgebietes. Und es repräsentiert die wachsende kleinräumige Polarisierung im Stadtteil, mit seiner renovierten, in hellen Farbtönen strahlenden Fassade[50] steht es nicht mehr „Verfall“ und „Desintegration“ im ehemaligen Problemstadtteil. Trotzdem sticht es durch seine Geschichte hervor, die sich offenbar nachhaltig in die Vorstellungswelten Vieler eingeschrieben hat.

Kontext dieser Merkwürdigkeit ist jene in diesem Text eingangs bereits skizzierte „sozialräumliche Eindämmungsstrategie“, die für den Strategiewechsel der Pandemiebekämpfung weg vom „individuellen Testergebnis“, hin zu Menschen „weil sie wohnen, wo sie wohnen“[51] steht. Es zeigt sich in dem durch diese Veränderung geprägten Diskurs, wie Vorstellungen von der lokalen Sozialstruktur den Umgang mit der Pandemie beeinflussen. Gefragt wird hier jedoch weniger danach, wie die Menschen, die zum Teil tatsächlich auch nach dem Sanierungsprojekt mit bis zu zehn Personen[52] in zu kleinen Wohnungen leben, nun geeignet vor einer Ansteckung geschützt werden könnten. Ähnlich wie in Göttingen wird auch nicht nach den strukturellen Ursachen dieser prekärer Lebens- und Wohnverhältnisse gefragt, was, wie von Frieling betont,[53] unabdingbar für eine sozial interessierte Stadtpolitik wäre. Was die Politik wie auch einige Medien interessiert und den Umgang mit dem Ausbruch so brisant gestaltet, sind vielmehr Annahmen über die angeblich „bildungsfernen“ Bewohner*innen, deren Herkunft und sowie fehlende Deutschkenntnisse.

„Es trifft eine Schwerpunkt-Community, die offensichtlich Kontakt miteinander hatte, auch über die Bezirksgrenzen hinweg. Und es ist ein in sich eher geschlossener Gesellschafts-Teil. Von daher glaube ich nicht, dass das wirklich breit in die Fläche geht.“[54] Mit diesen Worten wollte der Gesundheitsrat Falko Liecke (CDU) offensichtlich beruhigen. Was daraus spricht, ist die offenbar noch in der Vergangenheit verhaftete Außensicht auf die Bewohner*innen der unter Quarantäne gestellten Häuser. Die wurde noch verstärkt durch die Sorge, dass sich einzelne Bewohner*innen nicht ausreichend an die Regeln halten würden und ihnen die Tragweite der angeordneten Quarantäne möglicherweise nicht bewusst sei.[55] So wurde vorweg und ohne Anlass, dafür mit einer bestimmten Erwartungshaltung versichert, dass mit einem Polizeiaufgebot erst zu rechnen sei, wenn die Leute sich trotz Aufklärung und Kontrollen durch das Gesundheitsamt den Regeln widersetzen würden.

Nicht alle Bewohner*innen in Neukölln haben diese Erklärung von Seiten der Politik und die stigmatisierende Berichterstattung mit Fassung getragen – verständlicherweise. Bereits kurze Zeit nach Bekanntwerden der Quarantänemaßnahmen erschienen kritische Artikel in mehreren Zeitungen, wie in der Berliner Zeitung mit „Das ist kein ‚Rumänenhaus‘“ und der Spiegel mit „Das geplagte Haus“.[56] Die Darstellung der Politiker*innen wird problematisiert, zu Wort kommen auch die Mieter*innen des besagten Eckhauses.[57] Zurecht fragen sie, wieso ausgerechnet ihr Eckhaus mit insgesamt 369 Wohnungen bei mehr als 7.000 Corona-Neuinfektionen in der ganzen Stadt so viel Aufmerksamkeit bekommen.  Und sie hatten sich beschwert, wie beispielsweise der Tagesspiegel am 26.06.2020 schreibt, dass sie als „sozial schwach“ und „bildungsfern“ bezeichnet worden seien.[58] Sie hätten sich gegen die Belagerung der Medien gewehrt, beschrieben wird, manche hätten mit Obst und Beschimpfungen der Journalist*innen reagiert – eine Protestform, in der so manches Medium noch die Bestätigung der Desintegrationserzählungen von Liecke sah (oder sie gerade durch die Erwähnung fliegender Eier wieder aufleben ließ): Erwartungsvoll wird von „tumultartigen Szenen“ und den Befürchtungen einer „dicken Lippe“ berichtet, wenn man sich traue, Kontakt zu den Bewohner*innen aufzunehmen.[59] Legitimiert wurden die Kritik der Bewohner*innen schließlich aber, indem sich der Pfarrer Benjamin Marx, als Verantwortlicher und Vertreter des Eigentümers, einschaltete und die anhaltende Stigmatisierung der rumänischen Bewohner*innen anprangerte.[60] Was schiefgelaufen sei, hätten nicht die Bewohner*innen zu verantworten, die angeblich nicht mit der Stadt kommuniziert hatten. Vielmehr habe das Gesundheitsamt sehr lückenhaft über die Quarantänemaßnahme informiert. Dass einzelne Leute weiterhin ein und ausspazierten, wie die NZZ am 17. Juni noch berichtet,[61] habe vor allem daran gelegen, dass die Anordnung anfangs nur persönlich verteilt worden und erst nach mehreren Tagen im Hausflur ausgehängt worden sei. So hätten beispielsweise diejenigen, die zu einer bestimmten Zeit nicht zu Hause waren, gar nicht erfahren können, dass sie in Quarantäne mussten.

Inwiefern beeinflusst die Wahrnehmung bestimmter Gruppen als „abgeschlossene Community“ die politischen Reaktionen, die Prioritätensetzung der Schutzmaßnahmen? Wurden die betroffenen Menschen ausreichend geschützt, oder wurde in Kauf genommen, dass die Stigmatisierung einer Gruppe zum „Schutz der Allgemeinbevölkerung“ stattgefunden hat, was möglicherweise wiederum, wie in Göttingen, faktisch die gesundheitlichen Risiken dieser Menschen erhöht hat? Das sind wichtige Fragen, die hier nicht abschließend beantwortet werden können. Im Vergleich mit den Ereignissen in Göttingen war der Umgang mit den Bewohner*innen der betroffenen Häuser in Neukölln moderat und für deren Schutz sowie Versorgung war, der Berichterstattung zufolge nach einigen Startschwierigkeiten, gesorgt. Als Folge einer „sozialräumlichen Eindämmungsstrategie“ hat dennoch das Stigma „sozialer Brennpunkt“ auch im Neuköllner Fall wieder Kontur gewonnen. Und das gilt auch für die damit verbundene Vorstellung einer „Parallelgesellschaft“ und die daraus abgeleitete Vorstellung von der (Un-)Fähigkeit der Bewohner*innen, angemessen mit der Situation umzugehen. Und auch, wenn es nicht zu einer offen rassistischen Politik gekommen ist, kann auch die teils kritische, oft jedoch späte Berichterstattung nicht wieder wett machen, dass in Neukölln durch das Bekanntwerden der Adresse Vorurteile wiederbelebt wurden, die einer Bewohnerin zufolge schon früher zu neonazistischen Angriffen auf das Haus geführt hatten.[62]

Dass der Investor für die Bewohner*innen mit der Erzählung vom Integrationsvorzeigeprojekt einstand, konnte hier immerhin eingesetzt werden, um die ethnisierende und ausschließende Politik wie Berichterstattung nicht einfach so stehen zu lassen. Es erschienen recht schnell Artikel, die die Rhetorik der verantwortlichen Politiker*innen anprangerten und die Informationen über die Bewohner*innen differenzierten. Der Aufschrei könnte damit auch ein Hinweis dafür sein, dass der Umgang mit Diskriminierung und Migration einem Wandel unterliegt und insbesondere in Großstädten wie in Berlin die Sensibilität für das Thema erfreulicherweise wächst. Immerhin betonte auch Berlins regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) in der Berliner Zeitung: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen unter Generalverdacht gestellt werden“.[63] Nur wenige Stimmen zogen aus derartigen Ankündigungen jedoch die Konsequenzen für konkrete Forderungen. Ein Bericht des Neuen Deutschlands merkte die Informationslücken an und kritisierte, dass durch die umfassende Quarantäne eine Gefährdung der Bewohner*innen in Kauf genommen wurde bzw. forderte eine geeignete Unterbringung der Bewohner*innen.[64] Von mindestens 94 Ansteckungen wurde berichtet, 41 davon bei Kindern, mit weitestgehend milden Verläufen.[65] Angesichts der Tatsache, dass in den betroffenen Häusern von Überbelegung die Rede war, muss die Frage gestellt werden, ob durch geeignetere Quarantänebedingungen wie beispielsweise Angebote zur Entzerrung enger Wohnsituationen die die Bewohner*innen noch besser vor einer Ansteckung hätten geschützt werden können.

Die Reaktionen auf das Ausbruchsgeschehen in Berlin-Neukölln zeigen insgesamt, wie nachhaltig die Vorstellung einer Wohngegend, die einmal als „sozialer Brennpunkt“ etabliert wurde, verankert bleibt, selbst dann noch, wenn dieses Label Jahre zurückliegt. So nützen scheinbar all die positiven, die Aufwertungspolitiken der Stadt Berlin begleitenden Bezüge auf „Vielfalt“ und „Soziale Mischung“ wenig, um Gleichberechtigung und Inklusion auch in besonderen Situationen wie der Corona-Pandemie, die schnelles Handeln verlangt, in die Tat umzusetzen und auch entsprechend auszudrücken. Die Reaktionen könnten aber auch anders, nahezu hoffnungsvoll interpretiert werden: Auch die Ausschlüsse sind nicht in Stein gemeißelt. Sie sind umkämpft und konnten in Berlin immerhin als die andere Seite der „Vielfalts“-Medaille artikuliert und damit herausgefordert werden.

Schluss

Offensichtlich erhöhen prekäre Wohn-, Arbeits- und Lebensbedingungen die Wahrscheinlichkeit von Infektionen. In einer Umkehrung der so gegebenen Kausalität werden jedoch seit spätestens Juni 2020 „soziale Brennpunkte“ neben den Corona-Ausbrüchen in Schlachthöfen auch als „Auslöser“ der weiteren Verbreitung des Virus diskutiert. Mit dem Narrativ der „Mietskasernen“ wurde davor gewarnt, dass die Infektionsgeschehen nun in Gefilden angekommen seien, in denen die Kontrolle weiterer Infektionsketten schwierig bis unmöglich erscheint. Was diese Feststellung jedoch bedeutet, und welche Konsequenzen sie haben sollte, blieb in der öffentlichen Debatte wie im politischen Feld jedoch umstritten.

Jedenfalls kann resümiert werden, dass viele Presseberichte die Bewohner*innen selbst für lokale Ausbruchsgeschehen verantwortlich gemacht haben. Nicht selten, indem der Vorwurf der Unfähigkeit, sich und andere vor dem Virus zu schützen, mit der zugeschriebenen Herkunft der Bewohner*innen verknüpft wurde. „Kritische“ Berichterstattung stürzt sich dann hingegen, wenn überhaupt, oft auf einzelne, unmoralisch agierende Immobilienhaie, deren profitgieriges Agieren ursächlich für Segregation und prekären Wohnbedingungen sei.[66] Zumindest scheint es gut anzukommen, die Bedingungen, die Corona-Infektionen begünstigen, zwar zu benennen, sie dann aber als naturgegeben darzustellen – ernsthafte Veränderungen ausgeschlossen.

Von Frieling weist deshalb zu Recht darauf hin, dass die Analyse, dass prekäres Wohnen das Infektionsrisiko erhöhe, mit Problemen einhergeht: Er betont am Göttinger Beispiel, dass die private Bewirtschaftung von Wohnraum insgesamt diskriminierend ist, und dass oftmals Stadtentwicklungsmaßnahmen gegen Segregation ebenfalls auf diskriminierender Grundlage und damit mit diskriminierenden Folgen verbunden sind: Verdrängung von ärmeren Teilen der Bevölkerung, immer höherer Druck durch steigende Mietkosten, nach rassistischen Kriterien erfolgte Vergabe von Wohnraum. Analysiert man die Annahmen und Strategien aktueller Stadtentwicklung und befragt diese auf rassistische Kontinuitäten, so kann auch die Berichterstattung über die Ausbruchsgeschehen gewissermaßen als deren traurige, aber leider logische Folge diskutiert werden.

Letztlich sind die geschilderten Vorkommnisse Ausdruck einer Gesellschaft, in der nicht alle Bewohner*innen selbstverständlich dazugehören, und insbesondere diejenigen nicht, die in stadtpolitisch gebrandmarkten „sozialen Brennpunkten“ leben. Sie zeigen aber auch, unter welchen Bedingungen in unterschiedlichen Kontexten Diskursverschiebungen erreicht werden können: Während in Berlin zumindest die stigmatisierende Rhetorik der administrativen Akteure öffentlich hinterfragt wurde, formierte sich in Göttingen sichtbarer Protest auf der Straße und forderte ein Umdenken in der Wohnungspolitik. Unmittelbare Forderungen an die Stadtpolitik könnten also sein: 1. Kurzfristig: neben der Wahrung der Privatsphäre der Bewohner*innen (keine Adressnennung etc. – sollte eigentlich selbstverständlich sein) sollte Handlungsbedarf insbesondere da formuliert werden, wo Menschen aus prekären Wohnverhältnissen mehr Schutz vor dem Virus bekommen müssen; das betrifft vor allem auch Wohnanlagen und Unterkünfte für Geflüchtete, in denen die Misere schon zu Beginn der Pandemie abzusehen war. Wie relevant das ist, zeigt auch die aktuelle Auseinandersetzung um eine menschenwürdige Unterbringung und Evakuierung Geflüchteter aus der ZEA (Zentrale Erstaufnahme) in Hamburg-Rahlstedt, wo es im November 2020 zu Corona-Infektionen kam.[67] Hier wurde im ersten Lockdown etwa die Forderung nach einer Öffnung von Hotels diskutiert, es wäre aber auch eine Problematisierung anderer Leerstände denkbar. 2. Langfristig: Soziale Wohnungspolitik muss neu definiert werden und es ist klar, dass ernsthafte sozialpolitische Maßnahmen zusätzlich zur Ent-Prekarisierung beitragen müssen. Eine Politik der „sozialen Mischung“ ist dort verfehlt, wo sie lediglich zu einer kleinräumigen Polarisierung führt und nichts an den Wohn- und Lebensbedingungen einzelner Bewohner*innen ändert. Das war schon vor der Pandemie ein Problem; offenbart wird die Dinglichkeit der Situation nun in einer neuen Dimension.

Quellen und Verweise:

[1] Redaktionsschluss dieses Texts ist der 2.1.2021. Bezüglich der Debatte über die Folgen der laufenden Pandemie für die Stadtentwicklung und das „Recht auf Stadt“ sind wir bestenfalls am Anfang einer Debatte. Vgl. dazu auch Eckart, F. (2020): Vertiefung der Gräben. Corona in der fragmentierten Stadt, in: dérive 80, S. 26–32.

[2] Wir danken Moritz Rinn sowie der Redaktion des Corona-Monitor für ihre hilfreichen Anmerkungen und Gedanken, die in diesen Text eingeflossen sind. Außerdem danken wir Laszlo Göring für die große Unterstützung bei der Recherche zu diesem Text.

[3] Rinn, M. (2018): Ein Urbanismus der Ungleichheit. In: sub\urban. zeitschrift für kritische stadtforschung (6), S. 9–28.

[4] Holm, A.; Lebuhn, H. (2013): Die Stadt politisieren – Fragmentierung, Kohärenz und soziale Bewegungen in der „Sozialen Stadt“. In: Martin Kronauer und Walter Siebel (Hg.): Polarisierte Städte. Soziale Ungleichheit als Herausforderung für die Stadtpolitik. Frankfurt am Main: Campus, S. 194–215.

[5] Für eine kritische Auseinandersetzung, die die klassenbezogene und auch rassistische Dimension dieser Annahme diskutiert, siehe beispielsweise Holm, A. (2009): Soziale Mischung. Zur Entstehung und Funktion eines Mythos. In: Forum Wissenschaft (1), S. 23–26 sowie Rinn, M.; Wiese, L. (2020): Politiken sozialer Mischung und die Produktivität von Rassismus im ‚gefährlichen Viertel‘. In: Geographica Helvetica 75 (1), S. 23–36. DOI: 10.5194/gh-75-23-2020.

[6] Dabei bestehen die Maßnahmen, die Segregation bewusst bekämpfen sollen, nicht selten aus einer Inwertsetzung des Wohnumfelds und der Gebäude, was die Mieten in die Höhe treiben und dadurch soziale Ungleichheit verschärfen kann.

[7] Ronneberger, K.; Tsianos, V. (2015): Panische Räume. Das Ghetto und die »Parallelgesellschaft«. In: Hess, S.; Binder, J.; Moser, J. (Hg.): No integration: Transcript-Verlag (Kultur und soziale Praxis), S. 1.

[8] Zu diesem Begriff s. Dangschat, J. S. (Hg.) (1999): Modernisierte Stadt – gespaltene Gesellschaft, Wiesbaden; grundlegend, auch zum Begriff der „Segregation“: Häußermann, H.; Siebel, W. (2004) Stadtsoziologie, Frankfurt am Main: Kapitel 10-13.

[9] Vgl. zuletzt etwa: Mießner, M. (2020): Angewandte Kritische Geographie am Beispiel der Wohnungsmarktforschung in Göttingen. In: Standort. Zeitschrift für Angewandte Geographie. DOI: 10.1007/s00548-020-00665-8.

[10] Bude, I.; Sobczak, O., Empire St. Pauli. Von Perlenketten und Platzverweisen, Dokumentarfilm, 2009, 85 Minuten, http://www.empire-stpauli.de/was.php.

[11] Der Begriff „othering“ ist in der der postkolonialen Debatte der Sozial- und Kulturwissenschaften entstanden, vgl. etwa do Mar Castro Varela, M.; Mecheril, P. (2016): Die Dämonisierung des Anderen. Rassismuskritik in der Gegenwart, Bielefeld.

[12] Vgl. Hess, S.; Lebuhn, H. (2014): Politiken der Bürgerschaft. Zur Forschungsdebatte um Migration, Stadt und citizenship. In: sub\urban – zeitschrift für kritische stadtforschung 2 (3), S. 11–34.

[13] Paul, R. (2020): Corona in Idunazentrum, Vom Prestigeprojekt zum Brennpunkt. In: TAZ vom 3.6.2020, URL: https://taz.de/Corona-im-Idunazentrum-Goettingen/!5690591/ (22.11.2020)

[14] Ibid.

[15] Von Frieling, H.-D. (2020): „Hotspots“ Iduna-Zentrum und Groner Landstraße – Über soziale Brennpunkte, unverantwortliche Wohnungseigentümer und sozialstaatliche Wohnungspolitik. I: Stadtentwicklung Göttingen (Blog). URL: https://stadtentwicklunggoettingen.wordpress.com/2020/06/29/hotspots-iduna-zentrum-und-groner-landstrase-9-uber-soziale-brennpunkte-unverantwortliche-wohnungseigentumer-und-sozialstaatliche-wohnungspolitik/ (22.11.2020)

[16] Ibid.

[17] Wobei eigens für die Aufnahmen zusätzlich Sperrmüll herbeigeschafft worden sein soll. Der Dreh prädisponierte, wenn man so will, das Pandemie-Medienereignis von 2020. Zumindest sind die Blickrichtungen identisch: „Die Iduna-Zentrum-Bewohner schlendern ungeachtet dessen wie üblich über den Parkplatz. Sie habe man nicht über die Dreharbeiten informiert. „Was ist hier los? Ist das James Bond?“, fragen sie ironisch. Die Passanten indes trauen sich nicht auf den Parkplatz. Sie begutachten das Geschehen vom Gehweg.“: HNA, 27.6.2018, Wenn Frau Lindholm dreht. URL: hna.de/lokales/goettingen/goettingen-ort28741/dreharbeiten-fuer-ndr-tatort-mit-maria-furtwaengler-in-goettingen-9988270.html (22.11.2020). Im Juni beklagten sich TV-Teams darüber, dass sie nicht willkommen seien, wenn sie sich vor Ort mit dem Gebäude als Blickfang positionierten: GT, 4.6.2020: TV-Teams mit Gemüse beworfen.

[18] Göttinger Tageblatt (GT), 29.0.2016: Problemzone Waageplatz. URL: https://www.goettinger-tageblatt.de/Thema/Specials/Thema-des-Tages/Problemzone-Waageplatz (22.11.2020).

[19] Vgl. die Webseite des Projekts: https://omzehn.noblogs.org/ (22.11.2020).

[20] GT, 30.5.2020: Mit Schutzkleidung ins Idunazentrum,

[21] Bielefeld, B. (2020): Corona-Ausbruch nach Familienfeier: Viele Schulen und einige Kitas geschlossen. In: GT, 3.6.2020, S. 12.

[22] Ibid. Vgl. auch Paul, R. (2020): Der fanatisierte Fremde. In: TAZ vom 4.6.2020. URL: https://taz.de/Corona-Ausbruch-in-Goettingen/!5686582

[23] GT, 6.6./7.6.2020, S. 1, 9.

[24] GT, 6.6./7.6.2020, S. 10; Paul, R. (2020): Es gab keine privaten Feiern. In: TAZ vom 5.6.2020. URL: https://taz.de/Corona-Hotspot-Goettingen/!5690836/

[25] Bild-Zeitung, 4.6.2020: Aufruhr im Corona-Block. URL: https://www.bild.de/bild-plus/regional/hannover/hannover-aktuell/60-bewohner-sind-infiziert-aufruhr-im-corona-block-in-goettingen-71043834.bild.html. (22.11.2020). Das Argument findet sich aber nicht zuerst in der Presse, sondern wird von dieser, wenn, nur in mehr oder weniger reißerischer Weise, lediglich aufgegriffen und verstärkt. Es ist durchaus parallel zur Argumentation, wie man sie bei den Masseninfektionen in der Fleischindustrie vorfand. Die Migrant*innen hätten, so wurde dort zuerst von Politiker*innen aus den jeweils zuständigen Landesregierungen erklärt, das „Virus aus ihren Herkunftsländern eingeschleppt“. Vgl. dazu Birke, P. (2020): Die Fleischindustrie in der Corona-Krise. Eine Studie zu Migration, Arbeit und multipler Prekarität. In: Sozial.Geschichte Online 29 (Vorveröffentlichung), S. 11-15. URL: https://sozialgeschichte-online.org/2020/12/09/die-fleischindustrie-in-der-coronakrise/. (5.1.2021).

[26] Vgl. hierzu auch: Mayer-Ahuja, N. (2020): ‘Solidarity’ in Times of Corona? Of Migrant Ghettos, Low-Wage Heroines, and Empty Public Coffers. In: Eckert, A.; Hentschke,  F. (Hg.): Corona and Work around the World, Berlin and Boston, S. 19-27.

[27] Der SPD-Stadtverband erklärte am 10.6.2020: „Mit Sorge nehmen wir Berichte zur Kenntnis, dass Bewohner des betroffenen Gebäudekomplexes und dort lebende Familien – vor allem aber deren Kinder – stigmatisiert, verbal attackiert und ausgegrenzt werden. […] Dabei werden bauliche Bedingungen, unter denen das Virus verstärkt ausbreitet, nicht thematisiert, sondern im Mittelpunkt steht allein kollektives individuelles Fehlverhalten.“ Und weiter: „Der SPD-Stadtverband spricht sich entschieden gegen die Verbreitung von antiziganistischen Ressentiments und rassistischen Vorurteilen aus.“ Dem kann man wohl nur vorbehaltslos zustimmen: GT, 10.6.2020, S. 7:  Rücksichtsvoller Umgang in der Krise wichtig..

[28] Und zwar direkt auf der Einstiegsseite der Homepage: https://www.freigeist-goettingen.de/?gclid=EAIaIQobChMIi9uo1pyI7gIVBeR3Ch1FWAqZEAAYASAAEgLXGfD_BwE. (5.1.2021).

[29] Von Frieling, H.-D. (2020), auch im Folgenden.

[30] Ibid.

[31] GT, 13.2.2014: Eine Menge zerplatzter Träume. Diskussion über Groner Landstraße 9 a-c und Hagenweg 20 in Göttingen. URL: https://www.freigeist-goettingen.de/?gclid=EAIaIQobChMIi9uo1pyI7gIVBeR3Ch1FWAqZEAAYASAAEgLXGfD_BwE. (5.1.2020).

[32] GT, 17.6.2020, S. 1: 102 positive Tests in Göttingen. Hochhaus unter Quarantäne.

[33] Ibid.

[34] Paul, R. (2020): Erneuerter Corona-Ausbruch in Göttingen. 700 Menschen in Quarantäne. Betroffen sind vor allem Arme und Kinder. In: TAZ vom 18.6.2020. URL: https://taz.de/Erneuter-Corona-Ausbruch-in-Goettingen/!5690125/. (22.11.2020).

[35] GT, 20.6.2020, S. 10: Reporter zurück in der Stadt.

[36] Carlens, S. (2020) Tod im Göttinger Ghetto. In:  Junge Welt vom 23.6.2020. URL: https://www.jungewelt.de/artikel/380740.coronapandemie-tod-im-g%C3%B6ttinger-ghetto.html. (22.11.2020), mit Videodokumentation.

[37] Stemmler, C. (2020): Infektionen wurden billigend in Kauf genommen. Gespräch mit Setare Torkieh. In: Junge Welt vom 26.3.2020. URL: https://www.jungewelt.de/artikel/380952.coronaausbruch-in-g%C3%B6ttingen-infektionen-wurden-billigend-in-kauf-genommen.html. (22.11.2020).

[38] S. unter anderem: TAZ, 18.6.2020: Tränengas in Göttingen. URL: https://taz.de/Ausschreitungen-wegen-Corona-Quarantaene/!5690924/. (22.11.2020)

[39] S. unter anderem: Scharf, M. (2020): DGB fordert Änderung der Göttinger Wohnraumpolitik. In: GT vom 9.7.2020, S. 18.  Auch der Text von von Frieling und die Arbeiten von Mießner sind Ausdruck des Versuchs, zu einer Kritik der Stadtentwicklung in Göttingen zu kommen, die den Fokus auf die gesamte Stadt richtet.

[40] Lehrke, G. (2020): Bürgermeister von Neukölln: „Das Virus ist in den Mietskasernen angekommen“. In: Berliner Zeitung vom 16.6.2020, URL: https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/coronavirus-berlin-neukoelln-virus-in-mietskasernen-angekommen-li.87867 (22.11.2020).

[41] Serrao, M. F. (2020): «Vorsicht, sonst gibt’s ne dicke Lippe»: Zu Besuch in Berlins neuem Corona-Hotspot. In: Neue Züricher Zeitung vom 17.6.2020, URL:

https://www.nzz.ch/international/corona-ausbruch-in-neukoelln-ein-besuch-in-berlins-hotspot-ld.1561696

[42] Während zu Beginn die Rede davon ist, dass vor allem rumänische Bewohner*innen sich infiziert hätten, die Teil einer Pfingstgemeinde seien, räumt Liecke später ein, dass die Lage „unübersichtlich“ sei und die Infizierten unterschiedliche Nationalitäten hätten: Leister, A. (2020): Das ist kein Rumänenhaus. In: Berliner Zeitung vom 21.06.2020, URL: https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/corona-ausbruch-in-neukoelln-das-ist-kein-rumaenenhaus-li.88807 (22.11.2020).

[43] S. bspw. Holm A. (2011): Gentrification in Berlin: Neue Investitionsstrategien und lokale Konflikte. In: Herrmann H., Keller C., Neef R., Ruhne R. (eds) Die Besonderheit des Städtischen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93338-2_11 sowie die Seite von Quartiersmanagement Berlin (2020), URL: https://www.quartiersmanagement-berlin.de/quartiere/harzer-strasse.html (22.11.2020).

[44] Jan Heidtmann (2020): Zwangsisoliert in der Mietskaserne. In: Süddeutsche vom 16.6.2020, URL: https://www.sueddeutsche.de/politik/corona-virus-berlin-neukoelln-quarantaene-1.4937700 (22.11.2020).

[45] Siehe bspw. den Blog der Initiativen „Nachrichten aus Nordneukölln“, URL: http://nk44.blogsport.de/ (22.11.2020).

[46] Offenbar nicht ganz ohne gewisse Bedingungen, wie ein Bericht im Tagesspiegel zeigt: „Einmal, als ein Mann per Räumungsklage aus seiner Wohnung gedrängt werden sollte, der bei Autoschiebereien auf die Nase gefallen war, schickte der seine fünf Kinder vor, denen Marx in die Augen blicken sollte. Doch Marx ließ sich nicht erpressen. Er fragte den Mann, was er jener Witwe sagen solle, die nun auf die Wohnung warte und alles dafür getan habe, die Voraussetzung für einen Mietvertrag zu erfüllen. Sie habe Deutschkurse besucht und ihre Kinder auf Schulen geschickt.“. Bettendorf, S., Müller, K. (2020), Unter Infizierten. In: Tagesspiegel vom 26.6.2020, URL: https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/corona-ausbruch-in-neukoelln-unter-infizierten/25951162.html (22.11.2020).

[47] Leister, A. (2020).

[48] Die Handlungsschwerpunkte des Förderprogramms, das auf dem Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ beruht, sind noch nicht bekanntgegeben, die Relevanz der Sozialstruktur, allen voran der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund, wird auf der Start-Website Managementvorhabens für die Harzer Straße offenbar: Quartiersmanagement Berlin (2020): Steckbrief Harzer Straße. URL: https://www.quartiersmanagement-berlin.de/fileadmin/content-media/Steckbriefe_2020/P40_Steckbriefe_Harzer_Strasse_SV.pdf (22.11.2020).

[49] Wolf, P. (2019), Gentrifizierung und Integration. Vorbild Neukölln. In: Heise vom 27.12.2019, URL: https://www.heise.de/tp/features/Gentrifizierung-und-Integration-Vorbild-Neukoelln-4623819.html?seite=all (22.11.2020).

[50] Bettendorf, Müller (2020).

[51] Leister (2020).

[52] Prösser, C. (2020): Corona-Ausbruch in Neukölln. In: TAZ vom 16.6.2020, URL: https://taz.de/Corona-Ausbruch-in-Neukoelln/!5689824/ (11.11.2020)
Unklar ist allerdings, in wie vielen Wohnungen das der Fall ist, da keine Zahlen über die genaue Zahl der betroffenen Bewohner*innen bekannt ist (möglich sei eine Zahl zwischen 369 und 3690 Personen, s. Leister 2020). Überbelegung ist jedoch nicht, wie in einigen Medien dargestellt, ein Merkmal einer „rumänischen Community“. Sie ist auch Umgangsstrategie mit dem zunehmend exklusiven Wohnungsmarkt. So sind viele Menschen in Großstädten in ganz Deutschland mittlerweile aufgrund zunehmender Wohnungsnot dazu gezwungen, bei beispielsweise Familienzuwachs in zu kleinen Wohnungen zu verbleiben oder auch bei Neuanmietung in eine Wohnung mit zu wenigen Zimmern zu ziehen; s. z.B. Holm A. (2020) Wohnen. In: Böhm K., Bräunling S., Geene R., Köckler H. (Hrsg.): Gesundheit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30504-8_18.

[53] Von Frieling, H.-D. (2020).

[54] Schnack et al. (2020): Das geplagte Haus. In: Der Spiegel vom 18.06.2020, URL: https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/corona-ausbruch-in-berlin-neukoelln-das-geplagte-haus-a-810cb2c5-855c-43b2-b16c-3edb84cd2146 (22.11.2020).

[55] RND (2020): Corona in Berliner Mietskasernen: Quarantäne für sieben Wohnblöcke. In: RND vom 16.06.2020, URL: https://www.rnd.de/panorama/berlin-neukolln-sogar-13-wohnhauser-und-369-haushalte-unter-quarantane-HO4R4SCRWNCTHCSILPVQPCP364.html (22.11.2020).

[56] Leister (2020), Schnack et al. (2020).

[57] Hier wird die Paradoxie oder zumindest die Ambivalenz auch der „kritischen“ Berichterstattung deutlich: Auch, wenn einige Artikel Bewohner*innen zu Wort kommen lassen, ist es in diesem Fall doch als Teil des Problems zu begreifen, dass ausgerechnet die Bewohner*innen des Eckhauses im medialen Blitzlichtgewitter stehen.

[58] Bettendorf, Müller (2020).

[59] Korfmacher, C. (2020): „Wie Tiere im Käfig”. So heftig ist die Corona-Quarantäne in Berlin Neukölln. In: Nordkurier vom 18.6.2020, URL: https://www.nordkurier.de/aus-aller-welt/so-heftig-ist-die-corona-quarantaene-in-berlin-neukoelln-1839743906.html (22.11.2020) sowie Serrao (2020).

[60] rbb24 (2020): Investor von Neuköllner Haus wirft Behörde Diskriminierung vor. In: Sendung Inforadio vom 19.06.2020, URL:

https://www.rbb24.de/panorama/thema/2020/coronavirus/beitraege_neu/2020/06/corona-ausbruch-neukoelln-hausverwalter-treffen-anwohner.html (22.11.2020).

[61] Serrao (2020).

[62] Schnack et al. (2020).

[63] Leister, A., Schupp, A. (2020): „Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen unter Generalverdacht gestellt werden“. In: Berliner Zeitung vom 27.6.2020, URL: https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/interview-mit-michael-mueller-zur-corona-krise-wir-duerfen-nicht-zulassen-dass-menschen-unter-generalverdacht-gestellt-werden-li.89801 (22.11.2020).

[64] Krieg, C. (2020). Massiver Vertrauensverlust. In: Neues Deutschland vom 27.6.2020, URL: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1138379.coronakrise-massiver-vertrauensverlust.html (22.11.2020). sowie vom 16.6.2020, URL: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1137964.corona-in-berlin-corona-als-stigma.html (22.11.2020). Nicht öffentlich bekannt wurde eine Solidarisierung aus dem bewegungsnahen Umfeld durch Demos etc., zumindest sind der Autorin, die allerdings zur Zeit der Ereignisse nicht vor Ort war, keine bekannt.

[65] Leister (2020).

[66] Von Frieling (2020).

[67] Am 18.11.2020 fand eine Kundgebung vor der Hamburger Innenbehörde statt, um gegen den mangelhaften Pandemieplan der Stadt Hamburg zu protestieren: Die Linke (2020): ZEA Rahlstedt schließen – Wohnungen für Alle, URL: https://www.die-linke-hamburg.de/aktuelles/termine/detail/news/zea-rahlstedt-schliessen-wohnungen-fuer-alle/ (22.11.2020). Aber auch schon zuvor forderte der Flüchtlingsrat eine dezentrale Unterbringung aller: Düperthal, G. (2020): »In Hamburg sind Geflüchtete ständig gefährdet«. In: Junge Welt vom 8.11.2020, URL: https://www.jungewelt.de/artikel/389701.coronapandemie-in-der-brd-in-hamburg-sind-gefl%C3%BCchtete-st%C3%A4ndig-gef%C3%A4hrdet.html (22.11.2020).